Wie kein anderer Musiker seiner Zeit wird Heinrich Isaac bis heute als ein Wanderer zwischen den Welten gesehen. Geboren um 1450 in Flandern ist über seine Jugendjahre kaum etwas bekannt. Das erste Mal nachweisbar ist Isaac 1484 als Komponist am Hof Erzherzogs Sigismunds von Österreich wo er an der Gestaltung der Hochzeitsfeierlichkeiten des Fürsten mitwirkte. Seit dem Jahr 1485 ist er in Florenz nachweisbar, einem Ort dem er Zeit seines Lebens verbunden bleiben sollte. Isaac gehörte bald zum legendären musikalischen Zirkel rund um Lorenzo de‘ Medici.

Seine Beziehung zu Lorenzo wird in der Literatur als ausgesprochen eng beschrieben. So wird vermutet, dass Isaac unter anderem Lorenzos Kinder unterrichtete. Der Fürst soll sogar Isaacs Hochzeit mit Bartolomea Bello arrangiert haben. Anlässlich des Todes seines Patrons im Jahr 1492 komponierte Isaac unter anderem die Trauermotette Quis dabit capiti meo aquam. Isaac blieb zunächst für einige Jahre im Dienst der Medici, unter anderem für eine Reise nach Rom 1493. Ein Jahr darauf wurden die Medici aus Florenz verbannt.

Isaac fand 1496 eine neue nicht weniger prominente Anstellung als Komponist an der Hofkapelle des deutschen Königs Maximilian. In dieser Funktion bereiste Isaac die Österreichischen Erblande und die Zentren des heiligen Römischen Reichs wie Augsburg, Konstanz und Wien. Berühmte Kollegen und Schüler in der Hofkapelle waren unter anderem der Organist Paul Hofhaimer (1549-1537) und Ludwig Senfl (1486-1543). Nach einer ausgedehnten Italienreise zu Beginn des 16. Jahrhunderts die ihn unter anderem wieder nach Florenz geführt hatte, gehörte Isaac beim Reichstag in Konstanz 1507 erneut zum Gefolge Maximilians I. Zu diesem Anlass erklang Isaacs Motette Virgo prudentissima und die dazugehörige Messvertonung (siehe unten). Der Komponist blieb wohl bis in die 1510er Jahre im Dienst Maximilians, zog aber 1512 – gemeinsam mit den Medici – wieder nach Florenz, wo er in seinem Privathaus, seit 1515 sogar unter Beziehung seines vollen Hofkapellen-Gehalts bis zu seinem Tod 1517 lebte. Isaac hatte im Medici-Papst Leo X. einen äußerst prominenten Fürsprecher. Der Komponist huldigte dem Papst 1513 anlässlich des Besuchs des Salzburger Kardinals Matthäus Lang in Rom mit der Motette Optime dvinio […] pastor.

Isaacs Schaffen zeichnet sich durch seine Vielfältigkeit aus. Er bediente alle Gattungen der Zeit und machte insbesondere vor scheinbaren Sprachbarrieren keinen Halt. Er komponierte italienisch- und deutschsprachige Musik gleichermaßen. Sein Satz Innsbruck ich muss dich lassen ist noch immer eines der bekanntesten deutschen Lieder der Renaissance. Ein Dokument der engen Verbindung des Künstlers zur Familie Medici ist sein Lied Palle palle das die Kugeln auf dem berühmten Familienwappen thematisiert (siehe unten). In seiner geistlichen Musik ragt der Choralis Constatinus, eine Sammlung von Vertonungen des Messpropriums heraus. Zeitgenossen (unter anderem Heinrich Glarean) zählten Heinrich Isaac zu einem der bedeutendsten Musiker ihrer Zeit.

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die kunst- und musikhistorische Forschung zunehmend mit den Wechselwirkungen zwischen Regionen und Nationen. Diese wurden in der Vergangenheit häufig als beinahe geschlossene Systeme betrachtet. Unter dem Schlagwort „Kulturtransfer“ versucht sich die Wissenschaft mit überregionalen Kommunikationsformen auseinander zu setzen. Insbesondere das Schaffen von Musikern wie Heinrich Isaac wird – aus dieser Perspektive betrachtet – neue Fragen aufwerfen aber möglicherweise auch einige Antworten geben können. Wurde Isaacs Wirken dies- und jenseits der Alpen von Zeitgenossen als bemerkenswert international wahrgenommen? Wie spiegeln sich Konzepte von Region, Nation und Identitäten in seinem Werk wieder? Oder war Isaac doch nur ein ganz normaler Europäer?

Moritz Kelber

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Motette: Virgo Prudentissima (Teil 1) – Aufnahme der Tallis Scholars

Motette: Virgo Prudentissima (Teil 2) – Aufnahme der Tallis Scholars

Lied: Innsbruck ich muss dich lassen – Aufnahme der King Singers